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WEtell: Wie nachhaltig geht Mobilfunk?

WEtell-Flyer und Fairphone im Blumenkasten

700.000 Euro hat das Freiburger Start-Up WEtell am 7. und 8. April via Crowdfunding eingesammelt. Innerhalb von zwei Stunden. Zu schnell für mich, um ein Stück des attraktiv verzinsten, mutmaßlich veganen Kuchens zu ergattern. Aber Grund genug nachzufragen, wo und wie der Mobilfunkanbieter meiner Wahl sein Klimaschutz-Versprechen umsetzt.

Um Nachrangdarlehen als Anlageform habe ich bislang einen Bogen gemacht. Diesmal sind es aber Andreas Schmucker, Alma Spribille und Nico Tucher, die mir einen Zinssatz von 6 bis bestenfalls 16 Prozent in Aussicht stellen. Sie wollen mehr Fairness, Transparenz, Daten- und Klimaschutz in den Mobilfunk bringen. Dazu haben sie 2018 WEtell gegründet. WEtell soll zu einem Purpose-Unternehmen werden, dessen Anspruch eine Gemeinwohl-Bilanz dokumentieren wird. Für das Crowdfunding arbeiten sie mit einem Partnerunternehmen der GLS-Bank zusammen, der GLS Crowd. Weil die Vorzeichen stimmen, bekomme ich Dollarzeichen in den Augen bin ich geneigt, eine dreistellige Summe anzulegen und das Vorhaben zu unterstützen.

Werte und Zinsen begeistern Kleinanleger

Das muss Anderen ähnlich gegangen sein. Innerhalb von zwei Stunden war das Ziel erreicht. Laut WEtell war es die schnellste Kampagne, die bisher über die GLS Crowd gelaufen ist. Wie Alma Spribille, die für die Finanzen zuständige Mitgründerin auf Anfrage erklärt, beteiligten sich einige hundert Menschen. Die vorab festgelegte Maximum pro Kopf lag bei 25.000 Euro, denn von Großinvestoren will sich WEtell nicht beeinflussen lassen, sondern das Gewinnstreben dauerhaft einem bestimmten Zweck unterordnen. Ähnlich, wie es die baumpflanzende Suchmaschine Ecosia macht.

Gemeinwohl braucht Verantwortung für die Lieferkette

Die beiden Unternehmen arbeiten in mehrerer Hinsicht zusammen: Einerseits hat Ecosia den Start von WEtell im Sommer 2020 als Geldgeber unterstützt. Andererseits ist die WEtell GmbH Kommanditistin in der 1.000 Prozent EE Ecosia GmbH & Co. KG. Diese Gesellschaft errichtet und betreibt Photovoltaik-Anlagen. Auch die für WEtell: Allein in 2020 installierte sie 570 Kilowatt Leistung (kWp) im Auftrag der Freiburger. „Wir bevorzugen Aufdachanlagen, aber bei uns gibt es ebenso Freiflächenanlagen“, erläutert Alma Spribille. „Das hängt immer von den Umständen ab.“

Freiflächenanlagen erfahren derzeit einen regelrechten Boom, bergen aber Konflikte mit regionaler Land- und Forstwirtschaft. Es stünde WEtell gut, seine Rolle als verantwortungsvoller Investor voll auszufüllen, und bei Freiflächen-Projekten auf die Nutzung von Industriebrachen oder Konversionsflächen, das Vorhandensein etwa eines Regionalplan Solar oder auf eine duale Nutzung mittels Agri-Photovoltaik zu achten. Von der Gemeinwohl-Bilanz, die WEtell im Sommer veröffentlichen will, erhoffe ich mir dahingehende Details.

Weiterhin schauen bisher nur wenige Unternehmen und Investoren auf soziale und ökologische Produktionsbedingungen von Solarmodulen und Wechselrichtern. Auch Spribille muss verneinen. „Damit haben wir uns tatsächlich nicht auseinander gesetzt. Wir nehmen Ecosia hier als sehr konsequent wahr, aber das ist ein guter Hinweis.“ Einen Schritt weiter ist die ebenfalls gemeinwohlbilanzierte Bürgersolargenossenschaft BEG 58: Sie setzt vornehmlich Anlagenteile aus europäischer Produktion ein.

Zubau und Kompensation für Neukunden

Aktuell sagt WEtell zu, je fünf Neukunden ein weiteres Solarmodul zu installieren. Rechnerisch decken die bisher errichteten 1.000 Module den Energiebedarf der rund 3.000 Kunden mehr als doppelt ab. Allerdings fließt der Strom nicht direkt in die Mobilfunk-Infrastruktur, sondern wird größtenteils über den Partner Naturstrom vermarktet, erklärt Spribille. „Weil die vermiedenen Kohlendioxid-Emissionen richtigerweise den Naturstrom-KundInnen angerechnet werden, investieren wir zusätzlich noch in Kohlenstoffsenken wie Pflanzenkohle, um WEtell auf jeden Fall klimaneutral zu machen.“

Netzbetreiber sichert Anschlussfinanzierung für alte Windparks

Auch auf der Infrastruktur-Ebene tut sich etwas. Als Partner von Tele2 nutzt WEtell das D-Netz von Vodafone. Der Netzbetreiber hat 2020 seine Stromverträge auf Erneuerbare Energien umgestellt. Mit schrittweiser Verbesserung: War 2020 noch ein hoher Anteil norwegischer Wasserkraft enthalten, wird der Strom nun ausschließlich per Wasser und Wind in Deutschland produziert. Eine Besonderheit: Dienstleister Statkraft bezieht den Strom für Vodafone aus Windrädern, die seit 2021 keine EEG-Förderung mehr erhalten. Damit werden Bestandsanlagen vor dem drohenden Rückbau bewahrt, so die Erklärung.

Ganz so konkret sieht es bei den Netzbetreibern Telekom und Telefonica bislang nicht aus, auch wenn beide berichten, im eigenen Hoheitsbereich Grünstrom einzusetzen – oder das noch in diesem Jahr tun wollen. Vodafone hat bereits Kleinwindanlagen an Mobilfunkmasten getestet und den Bau von Solaranlagen angekündigt, einen aktiven Zubau von Erneuerbaren zur Abdeckung des gesamten Kundenstammes betreibt laut meiner Recherche nur WEtell. Auch wenn es hinsichtlich der Lieferkette noch Dokumentationsbedarf beziehungsweise Luft nach oben gibt, sind die Freiburger damit nach aktuellem Stand Klassenbeste(r).

Bildquelle: Grohmann

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